Ist Blut wirklich dicker als Wasser?
Wer sagt „Blut ist dicker als Wasser“ meint damit meistens, dass Familienangehörige und Verwandte einem näher stehen und enger mit einem verbunden sind, als Freunde, Kollegen oder Fremde. Wenn es ums Blut geht, lassen wir vom Blutspendedienst West uns aber nicht lumpen und fragen noch mal genauer nach: Stimmt der Satz überhaupt? Ist Blut wirklich „dicker“ als Wasser, rein physikalisch gesehen? In einer neuen Ausgabe von „Schlaubergern mit dem Blutblog“ prüfen wir mal wieder eine bekannte Binsenweisheit auf ihren Wahrheitsgehalt. Viel Spaß!
Können Flüssigkeiten überhaupt dick oder dünn sein?
In der Physik gibt es den Begriff der Viskosität: Er beschreibt, wie dickflüssig eine Flüssigkeit ist. Eine dickflüssige Flüssigkeit kann unter denselben Bedingungen weniger schnell fließen, als eine dünnflüssige Flüssigkeit. Diese Eigenschaft lässt sich in der heimischen Küche ganz einfach beobachten: Man nehme eine glatte Oberfläche, zum Beispiel eine Messerklinge und gebe einen Tropfen Wasser darauf. Hält man das Messer dann leicht schräg, sieht man schnell, wie der Tropfen zur Klingenspitze fließt. Wiederholt man das Experiment mit einem Tropfen Honig, wird der goldene Tropfen sich wahrscheinlich mehr Zeit nehmen als das Wasser, bevor er am Ziel ankommt. Tada, das ist Viskosität in vollem Effekt! Dass der Honig langsamer fließt als das Wasser, liegt unter anderem daran, dass die Teilchen im Honig stärker aneinander gebunden sind als im H20 aus dem Wasserhahn. Deshalb sind sie weniger beweglich - man spricht hier auch von innerer Reibung.
Schlaues, geschicktes Blut
Auch Blut hat eine Viskosität. Man nennt sie ganz unspektakulär die Blutviskosität. So einfach wie beim Honig oder Wasser ist die Sache aber leider nicht. Blut ist nämlich kein Newtonsches Fluid (Fluid = Flüssigkeit oder Gas). Es verhält sich nicht ganz nach denselben Regeln wie Wasser, sondern hat ein nichtproportionales, sprunghaftes Fließverhalten. Ein schöner Zungenbrecher, der hier ins Spiel kommt, ist der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt. Der beschreibt nämlich, dass die Viskosität von Blut abnimmt, wenn die der Durchmesser der (Blut-)Gefäße abnimmt. Diese Eigenschaft des Blutes verhindert eine kapillare Stase, also dass das Blut in den Gefäßen stecken bleibt, wenn die Blutgefäße „zu eng“ werden. Ganz schön schlau, dieses Blut!
Das Blut ist an verschiedenen Stellen des Blutskreislaufs im menschlichen Körper unterschiedlich zähflüssig, damit es seine Arbeit erledigen kann. Aber wie kann das sein? Ein Grund ist die Verformbarkeit der Erythrozyten, der roten Blutkörperchen. An den Wänden der Blutgefäße entstehen sogenannte Scherkräfte, die die Erythrozyten in die Mitte des Blutstroms drücken. Dadurch kann das Blut auch durch enge Gefäße problemlos fließen. Blut ist nicht nur schlau, sondern auch verdammt geschickt!
Ist Blut denn nun dicker oder dünner?
Die Blutviskosität hängt von einigen Faktoren ab, dazu gehören der Hämatokrit, die Erythrozytenverformbarkeit, die Erythrozytenaggregation, die Plasmaviskosität, die Temperatur und die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes. Es ist also nicht ganz einfach zu sagen, ob Blut dicker oder dünner ist, da es wie schon erwähnt nicht ganz nach denselben Regeln „spielt“ wie Newtonsche Flüssigkeiten, also auch Wasser. Die durchschnittliche Viskosität von Wasser liegt bei ca. 1 mPas (mPas = Millipascal); die Viskosität von Blut beträgt durchschnittlich ca. 4,5 mPas. Das ist aber nur ein ungefährer Wert, der zum Beispiel von der Anzahl der Zellen im Blut, dem Alter und dem Geschlecht eines Menschen abhängig ist. Die Viskosität ist bei Männern größer als bei Frauen, bei Neugeborenen kann sie sogar bis zu 6 mPas betragen und ein kaltes Bad, heiße Luft oder ein gutes Essen können sie erhöhen. Das heißt: Ja, Blut ist insgesamt dicker als Wasser. Der Satz „Blut ist dicker als Wasser“ ist also physikalisch nicht verkehrt.
Familienbande
Das muss aber nicht zwingend bedeuten, dass Blut auch im übertragenen Sinne unbedingt dicker als Wasser ist. Ob der Satz wirklich das bedeutet, was man daraunter versteht, ist nicht hundertprozentig geklärt. Ursprünglich bezieht sich die Redensart nämlich auf den Abschluss von Verträgen zu Zeiten des Alten Testaments. Damals war es üblich, dass man wichtige Verträge mit Blut besiegelte. Dazu wurden Tiere geschlachtet und zwei Hälften geteilt. Beide Vertragsparteien stellten sich in das Blut des Tieres. In ganz wichtigen Fällen schnitt man sich zusätzlich die Hände auf und band sie mit dem Vertragspartner zusammen. Das „Wasser“ in der Redenswendung bezieht sich entweder auf das Taufwasser oder sogar das Fruchtwasser. Die Verbindung durch einen Blutvertrag war also stärker, als die Verbindung zum eigenen Bruder. Zum Glück sind Medizin und Rechtswissenschaften heute weiter.
Lust aufs Blutspenden bekommen?
Kommentare
Looool
Das tut mir Leid
Die dynamische Viskosität von Fluiden wird zwar mit mPas angegeben, das steht allerdings nicht für Millipascal sondern für Millipascalsekunden. (1 mPas = 0,001 N*s*m^(-2) = 0,001 kg*m^(-1)*s^(-1))
Statt mPas sieht man in der Literatur auch gern die griechischen Buchstaben eta oder my.
Liebe Grüße nach Deutschland!
Guten Tag,
wie wird die Viskosität des Blutes gemessen? Und wer kann das tun?
Danke. HJ
Guten Tag Herr Janotta,
Ihre Frage klingt so einfach, ist aber ganz schön kompliziert zu beantworten. Wenn Sie die Viskosität Ihres Blutes messen lassen wollen, kann ich Ihnen ganz pragmatisch empfehlen, etwas wie „Gerinnungsdiagnostik“ oder „Hämorheologie“ zu googeln.
Hier kommt die ausführliche Antwort eines unserer Ärzte:
Klar ist, dass Blut visköser als Wasser ist, aber es gibt in der täglichen Medizin und insbesondere im Rahmen der Blutspende wenig Grund, diese Viskosität zu messen.
Die Viskosität oder auch Zähflüssigkeit des Blutes wird unter anderem vom Anteil der festen Blutbestandteile, gemessen als Hämatokrit, der Verformbarkeit der Erythrozyten, der Erythrozytenaggregation und der Plasmaviskosität beeinflusst. Auch die Temperatur und die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes spielen eine Rolle. Mit der Blutviskosität beschäftigt sich das Fachgebiet der Hämorheologie (zu Deutsch „Fließkunde (Rheologie) des Blutes (Hämo)“) als Teilgebiet der Physiologie. Nur bei speziellen Erkrankungen, die Veränderungen der Plasmaeigenschaften bedingen, wie z.B. bei einem Plasmozytom, wird sich die Viskosität steigern. Dies würde eventuell durch Störungen bei der Bestimmung anderer Laborparameter im Labor oder durch Symptome beim Patienten auffällig werden. Durch die hohe Viskosität kommt es zur Verlangsamung des Blutstromes insbesondere in den kleinen arteriellen Gefäßen, den Arteriolen und damit zu Störungen der Mikrozirkulation. Auch eine Verschlechterung der Sehfähigkeit kann durch die verminderte Durchblutung der Netzhaut des Auges infolge einer Viskositätserhöhung des Blutes kommen. Kryoglobuline kommen auch bei einer Reihe anderer Erkrankungen des autoimmunen oder viralen Spektrums sowie gelegentlich bei Krebserkrankungen vor. Die Auswirkungen können sich durch Ablagerungen an allen Organen, wie Nieren, Haut, Augen, sogar dem zentralen Nervensystem manifestieren. Hier wird sich eine Behandlung an den Symptomen orientieren und nicht am reinen Messwert der Viskosität. Es wird versucht, die Mikrozirkulation durch Hämodilution bzw. Blutverdünnungen mithilfe von Infusionen zu behandeln. Als Krankheitsparameter zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs dienen die gemessenen Serumwerte der pathologischen Proteine oder des Gesamteiweißes. Die Viskosität des Plasmas lässt sich selbst mithilfe eines Kapillarviskosimeters messen. Dabei wird die Verminderung der Fließgeschwindigkeit verursacht durch die Zähflüssigkeit gemessen. Ein entsprechendes Gerät wird wohl nur in rheologischen Speziallaboren oder Gerinnungsabteilungen vorhanden sein.
Interessanter Artikel! Eine Anmerkung hätte ich allerdings: Wenn schon "Schlaubergern", dann bitte auch richtig! Im Text wird das "H20 aus dem Wasserhahn" erwähnt. Gelesen ergibt das in diesem Fall allerdings "H-Zwanzig" (fehlende Index-Schreibweise und "0" [Null] statt "O") ;)
Ich habe noch eine Frage: Kann man die Viskosität des Blutes durch eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme, also überdurschnittlich viel Trinken, beeinflussen?
Hallo MB, ja!
Deshalb empfehlen wir, vor der Blutspende viel zu trinken, am besten Wasser oder Kräutertee. Das gilt natürlich besonders bei sehr hohen Temperaturen, wenn man viel schwitzt.
Viele Grüße
Claudia Müller
DRK-Blutspendedienst West
Hallo,
Die ursprüngliche Bedeutung lautet:
In seiner ursprünglichen Form lautete er nämlich „Blut des Bundes ist dicker als Wasser der Gebärmutter“. Damit wurde betont, dass die Bindung zwischen Menschen, die gemeinsam schwere Zeiten durchgestanden hatten, stärker ist als die Bindung zwischen biologischen Verwandten.
Allerdings wurde dem Sprichwort immer wieder eine andere Bedeutung zugeschrieben...
Quelle: opadvice.de
Neuen Kommentar hinzufügen